Titel
Franziskaner.


Autor(en)
Feld, Helmut
Reihe
UTB Profile; Uni-Taschenbücher S
Erschienen
Stuttgart 2008: UTB
Anzahl Seiten
127 S.
Preis
€ 9,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Ertl, Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte

Die neue Reihe "Profile" des Verlagskonsortiums UTB bietet knappe Darstellungen zentraler Themen aus verschiedensten Wissensbereichen und greift damit ein verlegerisches Erfolgsmodell der letzten Jahre auf. Eine Darstellung des Franziskanerordens und seiner verschiedenen Zweige ist ein angemessenes Thema für eine solches "Profil" – bekannt und breit genug, um Interesse auch außerhalb wissenschaftlicher Kreise zu wecken, daneben aber kompakt genug, um sich auf etwas mehr als 100 Seiten anschaulich darstellen zu lassen.

Mit Helmut Feld wurde ein kompetenter Autor gefunden. Der Mediävist und Theologe aus Saarbrücken hat in den letzten zwanzig Jahren die deutschsprachige Franziskus- und Franziskanerforschung durch viele Arbeiten bereichert und mitgestaltet. Vielen Fragen und Problemen der Franziskanerforschung widmete Feld seine Aufmerksamkeit, von der Quellenerschließung über die Geschichte der Klarissen bis zur franziskanischen Theologie, um dabei aber immer – wenn auch auf unterschiedlichen Wegen – den ursprünglichen Intentionen des Franziskus und ihrer geschichtlichen Wirksamkeit nachzuspüren. In mehreren monographischen Darstellungen, die sich an ein breites Lesepublikum wenden, vermittelte Feld seine Sicht der Dinge, nicht zuletzt in seinem "Franziskus von Assisi" in der Reihe Beck-Wissen. Auch das Format der knappen und leserfreundlichen Synthese ist dem Autor also vertraut.

Diese Vorbedingungen lassen die "Franziskaner" zu einer anregenden Lektüre werden. Helmut Feld entfaltet - wie im Vorwort angekündigt - eine "auf das Wesentliche konzentrierte Darstellung (...) für Studierende und kulturgeschichtlich Interessierte". Sein Zugriff ist dabei ein "exemplarisches Vorgehen, das bei aller Genauigkeit im Detail auf die Schilderung vieler wichtiger Vorgänge und Zusammenhänge verzichtet". Das ist bei dem gewählten Format nicht anders zu erwarten und für den eiligen Leser nicht von Nachteil. Das Panorama der in neun Kapiteln dargebotenen Themen ist klug gewählt. Im Mittelpunkt steht zwar die kirchengeschichtliche Entwicklung der Franziskaner mit ihren internen Spannungen und Spaltungen, daneben werden aber auch der religionsgeschichtliche Hintergrund, der franziskanische Frauenorden sowie die künstlerische und wissenschaftliche Bedeutung des Franziskanertums gebührend berücksichtigt. Chronologisch wird der Frühzeit die größte Aufmerksamkeit geschenkt, während die Darstellung an der Wende zur Neuzeit ein rasantes Erzähltempo annimmt. Ausgewogen umfasst diese Gliederung die klassischen Themen der Franziskanerforschung – stark geprägt allerdings von der Perspektive des Mediävisten.

Die Darstellung des Stoffes zielt auf Verständlichkeit und Anschaulichkeit. Nur sehr begrenzt tragen dazu die wenigen unkommentierten schwarz-weiß-Abbildungen bei. Weit besser unterstützen den Text die wörtlichen Zitate aus wichtigen Quellentexten. Tatsächlich originell und didaktisch wertvoll ist die Einleitung jedes Kapitels mit einer "These", die den Tenor des folgenden Kapitels in einem Satz pointiert zusammenfasst. Diese Thesen klingen häufig wenig überraschend, etwa wenn das Kapitel "Spaltungen und Verzweigungen des Ordens der Minderbrüder" mit der These eingeleitet wird: "Alle Spaltungen des Ordens der Minderbrüder im Spätmittelalter haben ihre Ursache in den verschiedenen Auffassungen von der Ordensarmut und der Ordensdisziplin". Dennoch verleihen diese prägnanten Formulierungen den folgenden Seiten ein semantisches Gerüst, das bei ihrer Durchdringung hilft und ihre Einprägsamkeit steigert. Auch innerhalb der einzelnen Abschnitte liebt Helmut Feld die klare Formulierung - kurz und eindeutig beispielsweise die Stellungnahme zu den Stigmata: "Die Stigmata wurden nicht durch ‚übernatürliche’ Einwirkung hervorgebracht, sondern Franziskus hat sie sich selbst beigebracht. Im Zeitalter der Kreuzzüge waren Selbstverletzungen in der Nachfolge des leidenden Christus nicht ungewöhnlich." (S. 21)

Eindeutige Positionen und Mut zur Thesenbildung sind essentielle Elemente der Geschichtsschreibung. Möglicherweise sind sie jedoch nicht in allen Darstellungsformen gleichermaßen sinnvoll und angebracht. Das Zielpublikum aus Studierenden und kulturgeschichtlich Interessierten wird Kürze und Würze dieser Einführung begrüßen, dadurch allerdings gelegentlich mehr eine bestimmte Forschungsposition innerhalb der Franziskanerforschung als ein ausgewogenes Bild der Diskussion kennen lernen. Als Beispiel hier der Beginn des Abschnitts über die Spiritualen: "Die Spiritualen sind nicht die häretischen Bastarde des Ordens, zu denen die spätere Polemik sie gern abstempelte, sondern sie sind diejenigen, denen es um die Bewahrung des spirituellen Erbes des Ordensgründers ging; zweifellos standen sie dessen Absichten näher als ihre 'rechtgläubigen' Ordensbrüder. Man kann in ihnen auch die legitimen Erben der engsten Gefährten des Franziskus sehen, die sich der von den Päpsten und der eigenen Ordensleitung geförderten Laxheit widersetzten." (S. 34) Mit wertenden Aussagen dieser Art verleiht Helmut Feld vor allem der Frühgeschichte des Franziskanertums den Charakter einer "Verfallsgeschichte" mit antipäpstlicher Spitze. Das kann man tun und befindet sich dabei in einer langen Tradition und in der Gesellschaft berühmter Gelehrter. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine Einführung das richtige Format für Stellungnahmen dieser Art ist.

Die Kombination von Knappheit und Thesenfreudigkeit führt zudem gelegentlich zu kryptischen Wendungen. So schreibt Helmut Feld über die Vision, die Franziskus anlässlich seiner Stigmata auf dem Berg La Verna hatte: "Über den Wortlaut dieser Mitteilung hat Franziskus zeitlebens eisernes Schweigen bewahrt. Der Grund ist nahe liegend: die Worte des Seraphen waren unvereinbar mit der damals als rechtgläubig geltenden kirchlichen Lehre vom Erlösungswerk Christi" (S. 22) Der Franziskusexperte mag den explosiven Inhalt der Engelsbotschaft erraten, für den Rest bleibt er wohl rätselhaft. In einer einführenden Darstellung der Franziskaner vom Mittelalter bis heute sollte man vielleicht etwas vorsichtiger formulieren, seine eigenen Standpunkte etwas stärker zurücknehmen und mehr Wert auf inhaltliche Ausgewogenheit und Offenheit legen. Der mediävistischen Geschichtswissenschaft und ihrer Außenwirkung erweisen Bücher wie diese allerdings einen guten Dienst, denn nichts ist schlimmer als faktenreich-langweilige Einführungen, die schon vormittags müde machen und alte Vorurteile gegenüber dem verstaubten Mittelalter bestätigen. Die deutschsprachige Franziskanerforschung kann froh sein, Helmut Feld in ihren Reihen zu haben. Die Anhänger Gregors IX. werden dies freilich anders sehen.